Stefan Freeman (Infodienst Schuldnerberatung), Thomas Seethaler (BAG SB Vorstand)
Informationen zu Beschwerden gegen Rechtsdienstleister sind seit dem 01.01.2025 zu finden unter:
Im Tatort „Restschuld“ vom 5.1.2024 geht es um Überschuldungssituationen, die in einen Kriminalfall münden. Ein Inkassounternehmen und dessen Mitarbeitende werden als skrupellose Nutznießer von Überschuldungssituationen (Link zu ardmediathek (Stand 5.1.2025)) in der Programmvorschau angekündigt. Die Inkassotätigkeit würde sich übergriffigem Nachdruck und Psychoterror bedienen. Wer als Mitarbeitende*r besonders erfolgreich in der Schuldenbeitreibung (bis zu 8000€ täglich in bar!?) ist, erhält Bonuszahlungen und/oder kann zum „Mitarbeiter*in des Jahres“ gekürt werden. Die von Überschuldung betroffenen Personen berichten von laufenden schriftlichen und telefonischen Kontaktaufnahmen durch das Inkassounternehmen. Gezeigt wird Inkassotätigkeit vor allem am Telefon und im Außendienst. Der Außendienst fährt in auffällig beschrifteten Dienstfahrzeugen vor, es werden Visitenkarten mit Klebeband an der Haustür hinterlassen, der Nachbar wird befragt. Überschuldete Personen und Familien werden fotografisch überwacht und Fotos in der Inkasso-Akte gespeichert – ein eklatanter Datenschutzverstoß, der vom Inkasso-Innendienst lediglich als besonders „gründlicher“ Außendienst bezeichnet wird. Es werden Vorpfändungen ausgebracht, einerseits um im Wettrennen um die Rangfolge möglichst vorne zu sein, andererseits obwohl klar ist, dass die beizutreibende Forderung nachrangig gegenüber einer vorrangigen Bank ist, aber um Druck auf die betroffene Schuldner*in aufzubauen.
Nicht thematisiert werden die Möglichkeiten von Betroffenen oder Schuldnerberatungsfachkräften in Vertretung von Betroffenen, sich gegen unredliche oder rechtswidrige Inkassomaßnahmen zu wehren.
Wie kann solch eine Gegenwehr aussehen?
Es gibt zwei Wege, sich gegen rechtswidrige und/oder unprofessionelle/unlautere Inkassotätigkeiten zu wehren. Hierbei gibt es seit 1.1.2025 ein Änderung zu beachten.
Der Weg über die Inkasso-Aufsicht
Nach dem Gesetz zur Stärkung der Aufsicht bei Rechtsdienstleistungen und zur Änderung weiterer Vorschriften (BGBl. 2023 I Nr. 64 vom 15.03.2023) wird die Registrierung der und die Aufsicht über die nach dem RDG registrierten Personen ab 01.01.2025 beim Bundesamt für Justiz (BfJ) zentralisiert. Bis zum 31.12.2024 lag die Zuständigkeit noch bei den Bundesländern. Bereits laufende Verfahren werden ab 2025 durch das BfJ übernommen und fortgeführt. Bis Ende 2024 gab es 32 Aufsichtsbehörden, zum überwiegenden Teil Gerichte, die diese Aufgabe ausführten; in Baden-Württemberg z.B. die Landgerichte Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart. Dies führte immer wieder zu einer uneinheitlichen Entscheidungspraxis. Die Beschwerdeverfahren dauerten zudem in der Regel sehr lange, weil die Aufsichtsabteilungen der Gerichte personell nicht ausreichend ausgestattet waren, oft nur als „Nebenamt“ wahrgenommen wurden und eine hohe personelle Fluktuation beobachtet werden konnte.
Mit der Schaffung einer zentralen Aufsichtsbehörde wurde eine Forderung aus der Schuldnerberatungspraxis, dem Verbraucherschutz und auch der Inkassobranche selbst erfüllt. Die Erwartungen an diese zentrale Inkassoaufsicht sind entsprechend hoch.
Informationen zu Beschwerden gegen Rechtsdienstleister sind seit dem 01.01.2025 zu finden unter:
Ab dem 01.01.2025 können Beschwerden an das BfJ über das Kontaktformular des BfJ (https://www.bundesjustizamt.de/DE/DasBfJ/Kontakt/Kontakt_node.html) mit dem Betreff „Rechtsdienstleistungsregister“ (Auswahlliste) oder per E-Mail an rdg@bfj.bund.de gerichtet werden.
Da es sich bei den Beschwerden nicht um Beschwerden im juristischen Sinn handelt, sondern um eine Eingabe, kann jedermann/jedefrau – also auch Schuldnerberater*innen – sich jederzeit an das BfJ wenden, um sich dort über unrechtmäßiges Inkassogebahren zu beschweren, auch ohne persönlich beschwert sein zu müssen. Soweit für Eingaben Unterlagen verwendet werden, die personenbezogene Daten von Klient*innen enthalten, sollten diese entweder geschwärzt werden oder eine Einwilligung zur Weitergabe eingeholt werden. In der Regel werden jedoch keine personenbezogenen Daten für eine Eingabe benötigt.
Das BfJ muss die Zuständigkeiten der Zivilgerichte beachten und kann keine materiell-rechtlichen Entscheidungen treffen. (Beispiel: Ob ein Vertrag rechtmäßig war oder nicht und deshalb die Einschaltung des IKUs rechtmäßig war oder nicht). Das BfJ entscheidet nur, ob die Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetz eingehalten werden (z.B. Informations- und Darlegungspflichten, korrekte Anwendung der Vergütungsregelungen).
Insbesondere interessiert ist das Bundesamt daran, festzustellen, ob bestimmte Inkassounternehmen schematisch vorgehen und sich in vielen Fällen regelmäßig problematisch verhalten:
Beispiele:
- Es wird regelmäßig schon im ersten Schreiben 1,3 ohne Begründung verlangt oder
- es wird im späteren Verlauf der Forderungsbeitreibung die Vergütung auf 1,3 erhöht ohne Begründung,
- bestimmte Informationspflichten (§ 13 RDG) werden immer wieder nicht eingehalten.
- es wird im Erstanschreiben 0,9 verlangt und erst drei Seiten später wird auf die Möglichkeit 0,5 hingewiesen.
- Oder es erfolgt der Hinweis, dass es teurer wird, wenn innerhalb von 14 Tagen nicht gezahlt wird, ohne einen Hinweis darauf, dass erst noch eine weitere Inkassomaßnahme erfolgen muss.
Um solche schematische Vorgehensweisen feststellen bzw. identifizieren zu können, sind unbedingt entsprechende Eingaben und Hinweise notwendig.
Der AK Inkassowatch ist weiterhin an entsprechenden Fallbeispielen und Beschwerden interessiert, die Berater*innen an meldung@inkassowatch.org mailen können. Bei den vorgesehenen regelmäßigen Gesprächen mit dem BfJ werden sie entsprechend eingebracht.
Um sich einen Überblick über die aktuelle Praxis bei Erstanschreiben von Inkassounternehmen an Schuldner*innen zu verschaffen, sammelt der AKI derzeit Beispiele jeder Art solcher Schreiben und bittet diese (geschwärzt) an die oben genannte Mailadresse zu senden.
Der Weg über den Bund Deutscher Inkasso-Unternehmen (BDIU)
Mitglieder im BDIU haben sich seit 1.10.2021 zur Einhaltung eines Code of Conducts (CoC – https://www.inkasso.de/code-of-conduct) verpflichtet. In dieser freiwilligen Selbstverpflichtung der Mitgliedsunternehmen des BDIU wird ergänzend zum Gesetz zur Verbesserung der Verbraucherrechte im Inkassorecht (VVInkG) der gesamte Ablauf der Inkassotätigkeit (von der Auftragsannahme bis zum Beschwerdemanagement) aus dem Blickwinkel der Inkassowirtschaft bis ins Detail geregelt.
AK InkassoWatch und BAG Schuldnerberatung kritisieren, dass die freiwilligen Verpflichtungen, die ohnehin nur für Mitgliedsunternehmen Geltung haben, kaum über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen. In einzelnen Punkten bleiben sie dahinter sogar zurück.
Dennoch: Stichworte sind u.a. „Achtung der Privatsphäre“, Einhaltung eines (sehr weiten) Zeit Korridors für Telefonkontakte (und Beachtung der Ablehnung von Telefonaten durch Schuldner*innen), „Umgang in wechselseitigem Respekt“, Regelungen des Verhaltens von Inkasso-Außendienstlern. Der Ablauf und die Inhalte der Inkassotätigkeit (Formulierung von Schreiben, Achtung der Vertretungen der Schuldner*innen, Forderungsüberprüfung usw.) ab Übernahme der Forderung sind in insgesamt 79 Paragrafen geregelt. Ab §75 sind Beschwerden geregelt (bei dem die Schuldner*innen kontaktierenden Inkassodienstleistern).
Auch das Verhalten bzw. der Umgang mit Schuldnerberatungsstellen ist ein aktuelles Thema. Immer wieder reagieren Inkassounternehmen nicht oder erst nach mehrmaligem Anmahnen auf Schreiben von Beratungsstellen oder beachten beispielsweise Verjährungseinreden nicht. Viele Beratungsstellen berichten auch, das Schuldner*innen trotzdem parallel weiterhin von Inkassounternehmen angeschrieben werden, obwohl die Beratungsstelle unter Vorlage einer Vertretungsvollmacht bereits Kontakt zum Inkassounternehmen aufgenommen hat. Dies führt immer wieder zu Belastungen des Beratungsverhältnisses und zu langen Verzögerungen.
Der BDIU unterhält selbst eine Beschwerdestelle, über die eine Beschwerde über die Art und Weise der Bearbeitung des Inkassomandats eingereicht werden kann, sofern das betreffende
Inkassounternehmen Mitglied des BDIU ist. Evtl. Einwände gegen die Hauptforderung können nicht auf diesem Weg erhoben werden.
Eine Beschwerde, die parallel zu einer Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde eingereicht wird, wird nicht bearbeitet – bis die Aufsichtsbehörde entschieden hat. Danach ist eine weitere
Bearbeitung der Beschwerde beim BDIU prinzipiell möglich.
Eine Beschwerde beim BDIU kann hier eingereicht werden: https://www.inkasso.de/verbraucher/beschwerdestelle-des-bdiu
Ausdrücklich ist es möglich, auch in Vertretung eine*r Schuldner*in oder als Schuldnerberatung eine Beschwerde einzureichen. Es empfiehlt sich, Unterlagen (auch zur Übertragung an den
BDIU als [PDF-]Dateien) vorzubereiten und die Beschwerde vorzuformulieren. Der Aufwand, das Formular auszufüllen, ist dann gering und in wenigen Minuten erledigt.