© NEZ-7.12.2024

Kirchenkreiskantor Kai Rudl zieht die letzten Register

Kai Rudl bereitet sich auf seinen Ruhestand vor, lässt die Musik aber nicht aus den Händen

Von Lennart Keck

Otterndorf. Die Finger gleiten über die Tasten, die frisch restaurierte Gloger-Orgel erklingt kraftvoll und Kai Rudl lächelt zufrieden. Jahrzehntelang hat er den Kirchenkreis Land Hadeln und ab 2013 den fusionierten Kirchenkreis Cuxhaven-Hadeln als Kreiskantor mit seinem musikalischen Engagement geprägt. Nun bereitet sich der 65-jährige Kirchenmusiker langsam auf seinen Ruhestand vor - aber nicht, ohne noch einmal alle Register zu ziehen.

Geboren in der Nähe von Flensburg, entdeckte Kai Rudl im Kindesalter die Liebe zur Musik. Früh merkte er, dass Musik eine Sprache ist, die ihm im Blut liegt. „In der Musik stecken Aussagen, die man nicht aufschreiben kann. Es ist wie in einem Gespräch. Es gibt Untertöne und Zusammenhänge, die sich aus dem Kontext ergeben, die aber nicht direkt schwarz auf weiß sichtbar sind.“ Heute spielt er allerlei Instrumente.

Neben der Musik war es das Spirituelle im Religiösen, das Kai Rudl immer als „sehr anziehend“ empfand. Die Verbindung zur Musik, die Arbeit mit Menschen und das Erforschen der Dinge in ihrer spirituellen Tiefe hätten ihn schließlich zu seinem heutigen Beruf geführt.

Ab 1980 studierte er Kirchenmusik an der Hochschule für Musik in Hamburg. Nach Abschluss seines Studiums 1986 bewarb er sich um eine Kirchenmusikerstelle in Cadenberge - seine zweite Bewerbung überhaupt.

1990 wurde er Kreiskantor des Kirchenkreises Land Hadeln. Dort baute er im Laufe der Jahre ein umfangreiches musikalisches Angebot auf: Posaunenchöre, Kinder- und Jugendchöre oder auch den Gospelchor. Mit der Fusion der beiden Kirchenkreise zum Kirchenkreis Cuxhaven-Hadeln wechselte er in die Superintendentur nach Otterndorf, wo er seit 2013 als Kreiskantor tätig ist.

Die Arbeit mit Kindern warihm immer sehr wichtig

„In Otterndorf bin ich in ein geprägtes Umfeld gekommen. Dort gab es bereits einen Gospelchor und einen Kinderchor.“ So widmete er sich der musikalischen Arbeit an Schulen. „Die Arbeit mit Kindern war etwas, das ich nicht missen wollte“, betont Rudl. „Kinder sind unglaublich assoziativ und spontan. Als Erwachsener lernt man irgendwann, wie man sich zu benehmen hat. Kinder hingegen sind einfach direkt. Mit ihnen zu arbeiten und in ihrer Welt zu leben, ist sehr kreativitätsanregend.“

Heute, wenige Monate vor seiner Pensionierung, erinnert er sich gern an die Momente seiner Laufbahn. Dazu gehört die Aufführung von Händels „Messiah“ in Neustrelitz. „Dort war die Kirche nicht beheizt und wegen eines Schneesturms lag der Schnee etwa eineinhalb Meter hoch. In der Kirche herrschten Temperaturen um null Grad.“ Mit Hilfe von Heizgeräten konnte die Kirche für die Aufführung gerade noch auf acht Grad erwärmt werden. „Das war eine unvergessliche Geschichte.“

Bis zu seiner Pensionierung im September 2025 stehen noch einige Projekte an. Ein Höhepunkt wird ein Orgelkonzert zum 625-jährigen Stadtjubiläum von Otterndorf sein, bei dem er musikalisch bis ins 15. Jahrhundert zurückgehen möchte. Ein weiteres ist der „Gesang und Rud(e)lklang“ im Juli - eine karaokeähnliche Veranstaltung mit Mitsing-Charakter.  Dabei können sich die Gäste im Vorfeld alle möglichen Musikstücke wünschen - von Pop bis Schlager könne alles dabei sein, sagt Rudl.

Das nächste große Highlight ist aber wohl das bevorstehende Weihnachtsoratorium am Sonntag um 17 Uhr, die letzte Oratorienaufführung unter Rudls Leitung mit einem Chor von insgesamt 70 Personen. „Das ist auch der maximale Platz, den wir mit unserem neuen Podest ausnutzen können.“

Trotz des Abschieds von der Position als Kirchenkreiskantor bleibt Rudl der Region und der Musik treu. „Ich brauche die Musik und die Arbeit mit Menschen einfach.“ Seinem Nachfolger wünscht er, dass er sich gut einlebt und seine Arbeit vor Ort machen kann. Ein besonderes Augenmerk bei der Auswahl der Besetzung werde auf die gerade restaurierte Orgel gelegt werden, verrät er. 

Seine zweite Leidenschaft: das Drachenfliegen

In seiner Freizeit hat Rudl neben der Musik eine besondere Leidenschaft: das Drachenfliegen. „Am liebsten fliege ich in den Bergen Sloweniens oder Frankreichs. Das ist ein Gefühl von Freiheit.“

Das Reisen und die Ruhe der Natur seien für ihn ein entschleunigender Ausgleich zum hektischen Berufsalltag. Auch die Region, in die ihn sein Beruf 1986 führte, empfindet er als beruhigend. Der Cadenberger hat fest vor, zu bleiben. „Ich fühle mich hier sehr wohl. Bei den Menschen und in der Landschaft. Ich habe zwar in der Stadt studiert, aber die Entschleunigung auf dem Land liebe ich sehr.“

Fliegen wie ein Vogel: Cadenberger erfüllt sich seinen Kindheitstraum

VON DENICE MAY - © NEZ - 30.08.2022

LAMSTEDT. Kai Rudl ist Drachenflieger aus Leidenschaft. Ein Hobby, das nur in den Bergen ausgeübt werden kann? Von wegen. Auch im Flachland kann geflogen werden.

"Mich zieht es in die Höhe und es war schon immer mein Traum, so frei fliegen zu können wie ein Vogel", sagt der 63-jährige Cadenberger Kai Rudl, während er seinen Blick über die Felder am Fuße des Bullenbergs in Lamstedt schweifen lässt. Um sich seinen Traum erfüllen zu können, hat sich der Kirchenmusiker ein Hobby gesucht, das sich fürs flache Land - wie das Cuxland - eher weniger eignet. Zumindest ist das der erste Gedanke, wenn Kai Rudl sagt, dass er Drachenflieger ist.

Eigentlich träumt Kai Rudl schon sein Leben lang davon, in luftige Höhe zu steigen. Es war sein Kindheitstraum. Doch erst mit 50 Jahren hat er sich so richtig mit dem Thema beschäftigt und überlegt, wie er sich "frei wie ein Vogel" fühlen kann. Er entdeckte das Fallschrimspringen für sich. "Das habe ich dann ganz oft gemacht, fast bis zur Lizenz." Doch der freie Fall, bei dem er mit 200 Metern pro Sekunde Richtung Boden raste, reichte dem heute 63-Jährigen irgendwann nicht mehr. Das Fliegen beziehungsweise Gleiten fehlte ihm beim Fallschirmspringen. "Ich habe etwas gesucht, bei dem ich mehr fliegen kann." Doch was gibt es noch, außer Fallschirmspringen?

Lizenz zum Drachenflieger erlangt

Der Cadenberger hörte sich um und stieß aufs Drachenfliegen. "Davon hatte ich bis dahin nichts gehört." Da das Cuxland nicht unbedingt fürs Drachenfliegen bekannt ist, suchte er sich eine Flugschule in Berlin, um die Lizenz zum Drachenflieger zu erlangen. Ganz so einfach ist das allerdings nicht. Zuerst einmal standen jede Menge Tandemflüge (also ein Flug, bei dem der Lehrer dabei ist) an. "Dort habe ich dann gelernt, die Höhe, das Tempo und die Richtung zu kontrollieren - all das macht man mit seinem eigenen Körpergewicht." Als es dann an den ersten Flug ohne Fluglehrer ging, war Kai Rudl ziemlich aufgeregt. "Ich war zwar per Funk noch mit dem Lehrer verbunden, aber plötzlich für alles selbst verantwortlich." Alles lief reibungslos und die Leidenschaft, mit einem Drachen durch die Lüfte zu fliegen, wuchs.

Wie ein Vogel

"Beim Drachenfliegen fühlt sich mehr danach an, wie ein Vogel zu fliegen." Deshalb kam auch kein Gleitschirmfliegen für ihn in Frage. "Ich wollte möglichst viel Freiheit beim Fliegen. Mein Kindheitstraum war es, zu fliegen wie ein Vogel. Und der Drachen kommt dem am nächsten. Beim Drachenfliegen wird man gefordert und man muss aufpassen. Fehler werden sofort bestraft." Kai Rudl, der seit acht Jahren im Besitz einer Lizenz zum Drachenfliegen ist, hatte bisher glücklicherweise noch keinen Absturz. Er ist Vereinsmitglied im Deutschen Gleitschirm- und Drachenflugverband Weser in Holste-Hellingst (Landkreis Osterholz-Scharmbeck). Hier versucht er regelmäßig Zeit zu verbringen, denn Drachenflieger dürfen nur von offiziellen Flugplätzen aus an den Start gehen. Und ja, sie können auch vom Flachland aus in die Höhe steigen.

Fliegen auch im Flachland

Es gibt verschiedne Arten, um mit einem Drachen ins Fliegen zu kommen. Zum einen können Drachenflieger von einem Berg aus starten, zum anderen können sie mit Hilfe einer Windenschleppe starten. Diese Methode wird im Flachland genutzt. "Die Winde wird in einer Entfernung von 1200 Metern positioniert und ist mit dem Drachenflieger verbunden. Der wird dann von der Winde hochgezogen." Ist der Drachenflieger hoch genug, klingt er sich aus und fliegt alleine weiter.

"Man muss bei diesem Sport hellwach und aufmerksam sein, damit keine Fehler passieren. Angst habe ich nicht, die Euphorie beim Fliegen überwiegt." Auch vor dem eigentlichen Flug muss Kai Rudl alle sicherheitsrelevanten Komponenten wie die Leinen, Seiten-Trapezrohere oder das Segel an seinen Drachen kontrollieren.

"Das Drachenfliegen nimmt viel Zeit in Anspruch. Ich schaffe es deshalb nur etwa einmal im Monat zu fliegen. Am Bullenberg in Lamstedt übe ich deshalb die Starts, um heile in die Luft zu kommen. Der Wind muss passen und ich muss denn Drachen in den richtigen Winkel bringen. Ist der nicht richtig, kann der Drachen mich auch zu Boden reißen." Und das kann mit solch einem großen und unhandlichen Fluggerät durchaus unangenehm werden. Der Drache - oder Hängegleiter, wie er in offizieller Sprache auch genannt wird - von Kai Rudl wiegt 25 Kilogramm und ist 16 Quadratmeter groß. Kostenpunkt: mehr als Tausend Euro. Nach oben gibt es keine Grenzen.

Drachenfliegen ist bis ins hohe Alter möglich

Damit Kai Rudl noch lange fliegen kann, hält sich der 63-Jährige mit Radfahren, Schwimmen und Joggen fit. "Dann kann man das Drachenfliegen bis ins hohe Alter machen." Einen Wunschort, an dem er gerne mal in die Lüfte gehen würde, hat der Cadenberger zwar nicht, aber er reist mit seinem Drachen gerne auch mal ins Ausland, um dort von Hängen und Bergen aus zu fliegen. Besonders gefällt ihm der Berg Lijak in Slowenien. © NEZ

Und hier ein paar Fotos von Kai in den Lüften: