© 2022 Carlsen Verlag
„Bestell‘ schöne Grüße!“ Wie oft wird diese Bitte gesagt – und wie selten erfüllt! Kaum denkt jemand jemals darüber nach, was mit den nie ausgerichteten Grüßen geschieht. Josefin, die Ich-Erzählerin in Susan Krellers neuestem Roman „Hannas Regen“, ist anders. Als der Marktleiter des Supermarktes ihr Grüße aufträgt, die auch sie ganz bestimmt nicht ausrichten wird, fragt sie sich, „wo die Millionen von nicht ausgerichteten Grüßen, die sich jeden Tag auf der Welt ansammeln, eigentlich bleiben und ob sie für immer in der Luft herumschweben und ob man manchmal, an besonders grauen Tagen, ganz leicht mit der Nase dagegen stößt und das Gefühl hat, für ein paar Sekunden nicht allein zu sein“ (S. 22). Denn allein ist Josefin, die von sich sagt, dass sie eine von den seitlichen Menschen sei, die aus Versehen mitfotografiert würden.
Bis Hanna auftaucht, mitten im Regen und voller Rätsel. Wie aus Versehen landet sie in der Schule auf dem Platz neben Josefin, nass und schweigsam und merkwürdig. Dass da
nur ein Kriminalfall dahinterstecken kann, vermutet bald nicht nur Josefins Mutter.
Für Josefin selbst wird Hanna fast so etwas wie eine Freundin.
Susan Kreller erzählt mit eindrucksvollen Sprachbildern und überraschenden Ideen von einer Freundschaft, in der zwei Jugendliche sich einander annähern. Doch das, was zwischen ihnen steht, bleibt rätselhaft und geheimnisvoll. Ist es mächtiger als ihre Freundschaft? Am Ende verschwindet Hanna fast wieder aus Josefins Leben. Hin und wieder telefonieren die beiden. „Aber wir reden nicht, wir schweigen die ganze Zeit“ (S. 190), und so kann man das, was die beiden verbindet, vielleicht am besten in Worte fassen: „Denn ich meine, es gibt fast dreizehn Millionen Arten zu schweigen, aber Hanna und ich, wir entscheiden uns ausgerechnet für die eine Art, für die es keine Worte gibt“ (S. 191).
Markus Tomberg sagt: „Unbedingt lesen!“ und wünscht: „schöne Grüße“. © Pfarrbriefservice